Betrachtet man nur das Geschehen und die Verhältnisse in unserem Stadtteil, dann könnte der Eindruck entstehen, dass zum ersten Mal nach der Pandemie während des ganzen Jahres wieder »Normalität« herrschte: Es gab keine Einschränkungen mehr; Masken, Schnelltests und Desinfektionsmittel waren vergessen und mehr und mehr Menschen wagten es, sich bei der Begrüßung wieder die Hände zu schütteln. Aber eine solche Sicht täuscht darüber hinweg, dass die Polarisierung in unserem Land und in der Welt Ausmaße annahm, wie sie seit der Zeit des Kalten Krieges nicht mehr existiert hatten. Weiterlesen...
Obwohl die Explosion der Energiepreise nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und der Einstellung der russischen Gaslieferungen nicht anhielt, obwohl dank staatlicher Hilfen manche Härte für die Bürger*innen abgemildert wurde und es im Winter nicht zu dem befürchteten Gasnotstand gekommen war, zeigte sich immer deutlicher, wie weit die Parteien der »Ampelkoalition« (nicht zu vergessen: der ersten Dreierkonstellation in einer Bundesregierung seit 1949) in ihren zentralen Positionen auseinander lagen. Besonders beim Gebäudeenergiegesetz schieden sich die Geister, zumal hier auch handwerkliche Fehler im Entstehungsprozess noch zusätzlich Ärger und Verwirrung stifteten. Die Unzufriedenheit mit einer permanent im Streit befindlichen Bundesregierung wuchs und das Vertrauen in ihre Kompetenz sank immer mehr. Im Unterschied zu den Jahren zuvor blieb es jedoch nicht dabei, sondern zunehmend ging es um die Energiewende überhaupt, um das Abschalten der letzten Atomkraftwerke und um das bislang so günstige russische Gas, was im Zuge der »Zeitenwende« durch Flüssiggasimporte ersetzt worden war.
In der politischen Auseinandersetzung entstand eine scheinbar verkehrte Welt: Die in Teilen rechtsextreme AfD reklamierte die weißen Tauben der Friedensbewegung für sich und plädierte für Verhandlungen mit Rußland, während die Parteien des demokratischen Spektrums entschieden und beharrlich an der militärischen Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Invasion festhielten.
Am 7. Oktober überfiel die Terrororgansiation Hamas im Süden Israels zahlreiche Siedlungen, verübte an den dort lebenden Menschen ein Massaker mit 1.195 Todesopfern und verschleppte 251 weitere Menschen als Geiseln. Als daraufhin die israelische Armee in den Gazastreifen eindrang, um die Hamas zu zerschlagen und ihr Tunnelsystem zu zerstören, hatte das tausendfachen Tod, Elend und Leid für die palästinensische Bevölkerung zur Folge. Die Brutalität des Massakers der Hamas weckt Erinnerungen an den Holocaust: an die Verbrechen der SS in den Vernichtungslagern und in den Ghettos in den überfallenen Gebieten Osteuropas. Auf der anderen Seite ist da der Schmerz um das Leid der Menschen im Gazastreifen.
Für uns im Stadtteilverein ist es in dieser Situation wichtig, offen zu bleiben und daran festzuhalten, dass wir hier alle Nachbarn sind, die gemeinsam zu der Vielfalt beitragen, die unseren Stadtteil prägt – so schwierig das vielleicht auch werden mag. Von dieser Vielfalt war vor allem unser Stadtteilfest am 24. Juni und der Martinsumzug durch den Stadtteil am 11. November getragen. Aber auch die Mitglieder des am 4. Mai neu gewählten Vorstands leben diese Offenheit und Vielfalt. Veranstaltungen wie das Klappstuhlkonzert und der Flohmarkt haben vor diesem Hintergrund vor allem das Ziel, im Sinne dieser Vielfalt Begegnungsmöglichkeiten im Stadtteil zu schaffen.
„Lasst Euch nicht verführen“ war das Thema eines literarischen Abends mit Texten von Bertolt Brecht und dieses Thema könnte aktueller kaum sein. Denkt man an die »verkehrte Welt« (s.o.), dann ist es notwendig, mit kritischem Blick und mit beharrlichem Fragen nach den Fakten einer »emotionalen Verführung« durch Populisten zu begegnen.
Doch in Sachen Literatur war das noch keineswegs alles: Die unter dem Dach des Stadtteilvereins neu gegründete Initiative »literatur auf dem boxberg« lud im Herbst noch zu zwei Abenden mit Texten von E.T.A. Hoffmann und E.A. Poe ein, in denen das »Unheimliche« gebührenden Raum erhielt. Wahrlich: Unheimlich kann einem schon werden, wenn man aus der Beschaulichkeit unseres Bergstadtteils auf das blickt, was sich in der Welt um uns gerade verändert.
Last (but not least) hat in diesem Jahr das Garten- und Landschaftsamt der Stadt unseren Stadtteil verschönert: Entlang der Einfahrt in den Stadtteil von der Aral-Tankstelle wurden auf der linken Seite auf der Wiese zahlreiche Bäume gepflanzt, die im Frühjahr blühen und teilweise Früchte tragen. Außerdem wurde am Rand eine Sitzgruppe mit Tischen und Bänken aufgestellt. Das hat die Wiese zu einem so einladenden Ort gemacht, dass mittlerweile auch die Busfahrer gelegentlich hier ihre Pause verbringen. Stadtteilverein, Stadtteilmanagement und zahlreiche Bürger*innen bedankten sich am 20. April in einer kleinen Feier bei den Mitarbeiter*innen des Landschaftsamts.